Dauerausstellung
Die Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen
Die Ausstellung
Das Jüdische Museum Göppingen wurde 1992 eröffnet. Seit 2019 wird die Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen in acht Themenfeldern neu präsentiert.
Juden in Jebenhausen
Am 7.7.1777 wurde im Schloss in Jebenhausen der Schutzbrief unterzeichnet. Um 1850 lebten in Jebenhausen rund 530 Juden. Damit hatte der jüdische Ortsteil fast die Größe des Christendorfs erreicht. Mit Synagoge, Schule, rituellem Tauchbad und Friedhof wurden die wichtigen Einrichtungen für das Gemeindeleben geschaffen. Nach der rechtlichen Gleichstellung 1864 verließen viele Juden das Dorf und zogen in die benachbarte Stadt Göppingen, nicht wenige wanderten aber auch nach Amerika aus. 1899 wurde in der Synagoge Jebenhausen letztmals ein Gottesdienst gefeiert.
Jüdisches Leben
Judentum ist eine Lebensführung, die alle Bereiche des Alltags durchdringt. Gottesdienstbesuche in der Synagoge bilden dabei nur einen kleinen Teil. So stellt die Ausstellung die wichtigsten religiösen Feste im Jahreslauf vor, zu denen spezielle Ritualgegenstände und traditionelle Speisen gehören. Im Zentrum steht der Schabbat, der höchste Feiertag im Judentum.
Juden in Göppingen
Die in Göppingen lebenden Juden gründeten 1867 eine eigene Gemeinde. 1880 legte die Gemeinde, die jetzt rund 240 Mitglieder zählte, den Grundstein für die neue Synagoge. Mit dem Hotel Dettelbacher am Bahnhof verfügte die Gemeinde über einen Saal für offizielle Feiern und Familienfeste. In der Zeit des Nationalsozialismus waren die Gasträume des Hotels ein Rückzugsort für das jüdische Gemeindeleben.
Rabbiner Dr. Aron Tänzer
Der Rabbiner stand 30 Jahre der jüdischen Gemeinde Göppingen vor. Über konfessionelle Grenzen hinweg setzte er sich stets für kulturelle und soziale Belange ein, so z. B. für die Schaffung einer öffentlichen Leihbibliothek. Als deutscher Patriot hatte sich Dr. Tänzer im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Dienst als Feldrabbiner gemeldet. Anstelle der erhofften Anerkennung wurden er und seine Brüder nach Kriegsende als „Drückeberger“ und „Schuldige“ an der Kriegsniederlage verunglimpft.
Unterm Nationalsozialismus
Von 1933 bis 1938 folgte eine Phase der Diffamierung und zunehmenden Entrechtung der Juden in Deutschland durch staatliche Verordnungen und Gesetze. In dieser Entwicklung stellen die Ereignisse in der reichsweiten Pogromnacht 1938, in der auch die Göppinger Synagoge angezündet und zerstört wurde, einen Höhe- und Wendepunkt dar: Nun begann die systematische Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bürger durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer.
Ermordet
Nach außen hin wurde die „Endlösung der Judenfrage“ als eine vollständige „Umsiedlung“ aller Juden in entfernte Ostgebiete getarnt. Am 18. November 1941 wurden die Göppinger Polizeidirektion und das Landratsamt erstmals über die geplanten „Evakuierungen“ in Kenntnis gesetzt. Die Ausstellung schildert den exemplarisch den Leidensweg von fünf Familien. 64 Göppinger Juden wurden direkt in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Von ihnen überlebten 6.
Gerettet
Nach der Pogromnacht im November 1938 zeichnete sich eine größere Auswanderungswelle ab. In den Monaten danach flohen 143 Juden ins Ausland. Die meisten fanden Aufnahme in den USA, gefolgt von England. Manche überlebten nur dank mutiger und „stiller“ Helfer. Das Mädchen Inge Auerbacher überlebte mit ihren Eltern dank großem Glück die Haft im KZ Theresienstadt, wohin die Familie im August 1942 deportiert worden war.
Anklagen Erinnern Gedenken Begegnen
Im Mittelpunkt stehen die staatsanwaltlichen Ermittlungen zum Brandanschlag auf die Synagoge und zur Deportation der Juden. Aufsehen erregte 1959 in Göppingen die Verhaftung des Apothekers Dr. Victor Capesius, der beim Frankfurter Auschwitzprozess für seine Verbrechen als Lagerapotheker zu neun Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der zweite Aspekt gilt den Anfängen und der allmählichen Entwicklung einer Gedenk- und Erinnerungskultur.
Peter Rohland (1933–1966) – Liedermacher und Volksliedforscher
Er kam 1945 als Schüler mit seiner Familie, aus Schlesien vertrieben, nach Göppingen. Sein Interesse für jiddische Lieder war mit dem politischen Anspruch verbunden, etwas zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts gegenüber den Juden zu tun. Er fand als einer der ersten Sänger der BRD den Mut, „das bleierne Schweigen der Nachkriegszeit“ zur Judenverfolgung der Nazis zu durchbrechen.